Viel ist gesagt, geschwallt, enthüllt worden über Gurlitt, die Raubkunst, die Deutschen. “Wir können viel nicht wiedergutmachen, aber wir können Kunstwerke und Wertsachen, die auf unredliche Weise nach Deutschland verschleppt wurden, an die Nachfahren derer zurückgeben, denen sie einst gehörten“, schlussfolgerte Götz Aly – logisch.
Unabhängig davon, ob und wie nun entschädigt wird: 1406 der beschlagnahmten Gurlitts stufte man als „eindeutig unverdächtig“ ein. Von den übrigen 970 fallen 590 in die Kategorie „NS-bedingt entzogen“, mindestens 380 seien der „Entarteten Kunst“ zuzurechnen. Entartete Kunst sollte, so Frederic Spotts, das bezeichnen, was „das deutsche Gefühl beleidigt, die natürliche Form zersetzt oder einfach das Fehlen adäquater handwerklicher oder künstlerischer Fähigkeiten belegt“. Faszinierend: Die Idee der gleichnamigen Ausstellung, die 1937 in den Münchner Hofgartenarkaden eröffnete. Da wird etwas als gemeingefährlich und rassenfremd erklärt und im selben Atemzug als pompöser Fetisch öffentlich gemacht (übrigens ein Dauerbrenner, aus dem Ganzen wurde später eine Wanderausstellung, die man vier Jahre lang, d.h. bis zum Beschluss der sogenannten Endlösung der Judenfrage, in insgesamt 12 deutschen Städten zeigte – Besucherzahlen nach offiziellen Angaben: 2.009.899. “Entartete Kunst” gilt als eine der meistbesuchten Ausstellung moderner Kunst überhaupt). Es wirkt ein bisschen, als hätten die Nazis Foucault’sche Theorie vorgedacht: Autor? Klee, Ernst, Beckmann? Who cares? Eine noch perfidere Kapriole nimmt der Nazifetisch im Fall von Restitutionsfällen, wie dem eines Kokoschka-Bildes, das Gurlitts Kollege Conrad Doebbeke während der NS-Zeit erwarb und später persilscheinartig ans Landesmuseum Hannover weitergab. 1955 mit einer Rückgabeforderung konfrontiert empörte sich Doebbkes Witwe Elsa in einem Brief an den Museumsleiter Stuttmann: “Die Sache mit dem Bild von Kokoschka ist so ein Ding für sich. Dieser Herr Christ (in Wirklichkeit ein schrecklicher Jude) hat mir was zugesetzt. (…) Es tut mir aufrichtig leid, dass dieses hübsche Bild in’s Ausland kommt und nicht Ihr Museum schmücken kann! Aber gegen ein Gesetz kommt man eben, wenn man nicht Jude ist – nicht an (…) Ich sehe doch nicht ein, warum ich das Bild so herausgeben soll, ich kann doch von meiner Seite auch Regressansprüche machen? Oder ist das nicht so?” (wen’s interessiert, ausführlich unter: „Dieser Jude gibt mir keine Ruhe“).
Neueste Enthüllung im Fall Gurlitt: Es sei, so der Staatsanwalt, davon auszugehen, dass einige der Bilder von Gurlitt selbst gemalt wurden. Ein kühner Vorschlag für die Zukunft: Ich frage mich, ob man die Original-Gurlitts nicht sammeln und zusammen mit den Werken braver Nazis ausstellen sollte. Titelvorschlag: Artige Kunst.