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Mittwoch

by Pippin Wigglesworth-Weider

Verhalte ich mich wie ein Genosse. Aber zu wem, ohne andere und ihre Abteilungen. In Treppenaufgang und Lift gibt es Möglichkeiten, meine Muskulatur ist bereit, vor allem im Gesicht. Nur verzweifelt jeder, in diesem Haus, wenn er an mir vorbeigeht, während ich bestenfalls humpeln kann. Es sieht nach einer Behinderung aus, dabei fühle ich mich freier als vorher. Meine Muskeln sind bereit, verzweifelten Passanten gegenüber eine Haltung einzunehmen, die sagt, ich spüre Dein Gefühl, fühle kein Zwang dich in meine betäubten Stellen hinein zu versetzten, mach dir wegen meiner Gangart keine unnötigen Sorgen und verpasse bitte nicht die nächste Stufe, sie kommt schnell. Um die Zeit kommt leider selten einer, dem ich diese Haltung vorführen kann. Hier im Büro, in dem ich niemand erwarte, entspannt sich die Muskulatur, die Bereitschaft mit dem Körper Aussagen zu treffen lässt nach, das Gesicht wird müde Fantasien auszuführen und fällt. Die Beine breiten sich aus, aber ohne Gespür in den Füssen kann ich schwer sagen, wie weit sie sich ausbreiten. Das Gefühl des Ausstreckens endet nicht im Schuh oder im Hosenbein, sondern es ist eine Bewegung, die durch das Bein ins nächste oder übernächste Zimmer geht, oder bis auf die Erde, acht Stockwerke weiter unten. Die gefühlten Proportionen verändern sich. Mein Gefühl für diesen Raum, hier, gleicht meinem Gefühl für meinen Kopf oder mein Schädelinneres im Verhältnis zu anderen Teilen des Körpers, die mir vorkommen wie Brückenköpfe in der Ferne. Das Verhältnis und die Gewichtung meiner Gefühle entspricht dem Ausmass aller verbundenen oder verwandten Räume, in denen ich mich gleichzeitig befinde, eine zerstreuende Bewegung, die mich komischerweise nahe an einen gefühlten Standort bringt. Oder so kommt es mir vor. Und falls ich versuche Ort und Zeit mit den Augen zu fixieren, bewegen sie sich auf einen Punkt, der meistens an einer anderen Stelle liegt, als diese an der ich mich gerade befinde. In der achten Etage, hier, habe ich ein viel stärkeres Gefühl für den Keller, aus dem ich meine Abteilung aufgebaut hatte, in dem ich mich aber lange nicht mehr befinde. Selbst nachdem ich mich von den Abteilungen unabhängig gemacht habe, spüre ich hier nichts Frisches oder Luftiges, sondern Armut und Keller. Ich merke das und arbeite dagegen, zum Beispiel drücke ich meinen Buckel aus dem Rücken und ziehe Arme und Beine an bis ich in Knien und Ellenbogen rechte Winkel habe. Bis ich selbst so aussehe, wie der Sessel auf dem ich sitze. Zweitens ziehe ich die Mundwinkel gerade nach hinten, nicht nach oben, was wie grinsen aussieht und sich für eine Weile ähnlich gut anfühlt. Ein früherer Genosse hielt sich so, stundenlang. Ein Anderer zog sein linkes Bein über die linke Armstütze. Ich versuche es, warum nicht. In den Oberkörper kommt einen Linksdrall, den ich etwas korrigieren kann indem ich den Sessel nach Rechts wende. Der Drall lässt sich nicht ganz auflösen, es bleibt eine Betonung der rechten Seite, vor allem des rechten Arms, auf den beim Gehabe am Schreibtisch mehr Gewicht fällt. Die Asymmetrie hat etwas lässiges, wie ein schief getragener Hut. Ich gehe die Haltungen unterschiedlicher Genossen durch, an die ich mich erinnern kann, und halte sie so lange ich Lust habe. Es bringt mehr Geselligkeit an den Ort.

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