Gestern Abend, Tagesrandverbindung (ein Wort, dass ausschließlich von Bankern benutzt wird, aber an DDR- Wörter wie „Jahresendfest“ erinnert) Berlin- München. Neben mir ein älterer Geschäftsmann, der gerade eine Deutschlandkarte des Handelsblatts auffaltet. Auf der Karte steht „Zukunftschancen Deutschland“; die verschiedenen Regionen sind in unterschiedlichen Farben markiert – Rot (gute Chancen) bis Blau (schlechte Chancen). Ich kann es mir nicht verbeißen, ihn zu fragen, um wessen eine Zukunft es hier eigentlich geht und was für Chancen gemeint sind. Er scheint solche Eulenspiegel’schen Fragen nicht gewöhnt zu sein. Achselzuckend sagt er: „Na, die Wirtschaftschancen eben.“ Dann erklärt er mir, dass sich im Grunde nicht viel geändert habe. München: Reich. Berlin: Arm.
Die Zeit im Flugzeug hatte ich mir mit einem Artikel aus dem New Yorker über die neue Unternehmenskultur in San Francisco vertrieben. Dass deutsche Investoren im Gegensatz zu amerikanischen nicht besonders Risikobereit sind, ist bekannt. Warum das so ist, darüber scheiden sich die Geister. Der Geschäftsmann neben mir schiebt es auf die Mentalität. Ich glaube, dass es mit einem Mangel an Kommunikation zwischen den Leuten mit Geld und den Leuten mit Ideen zu tun hat und frage mich, ob die Zurückhaltung deutscher Investoren nicht auch mit der regionalen Verteilung zusammenhängt. Berlin ist kein Finanzzentrum, Frankfurt und München sind nicht für ihr kreatives Potential bekannt. In New York ist das anders. Leider hat der Geschäftsmann im Flugzeug mich nicht nach meinen Ideen gefragt, ich habe meine kurze Zeit in der Nähe der Finanzwelt also schlecht genutzt. Vielleicht auf dem nächsten Flug.