https://www.youtube.com/watch?v=BYKIUu5fg3U
Hilfe! Auch der Flughafen München hat jetzt seinen eigenen ‘Markenfilm’, inklusive lip dub, virtueller Flugbegleiterin (1:28), bongo-spielendem Inder (? 1:38), einem ausgestopften Leoparden (2:16), rotem Teppich (2:36), Brautpaar auf dem Flugplatz (3:16), Kellner in Lederhosen, der ein leeres Bierfass trägt (3:52) und Schuplattler (4:15). Immerhin wurde hier niemand gezwungen, sich einen frechen Deutschrap auszudenken oder tatsächlich zu singen, wie das sonst bei Recruitment- Videos der Fall ist. Die Deutsche Bahn hat uns zwar ein Video erspart, glänzt aber mit Reimen wie: „Du weißt nicht, wo die Länder liegen?/ Du wirst es mitkriegen/ Macht ihr die Kunden zufrieden/ Ist die Welt gediegen“ und: „Nicht immer ganz verlässlich/ Trotzdem unersetzlich“. Während der Adressat des Flughafen-Meisterwerks ungeklärt bleibt, wendet sich die Bahn ganz explizit an potenzielle Azubis. Auch die Sparda-Bank wirbt um die Gunst junger Unentschlossener: „Ich hab die Idee, ich weiß, da passt du rein/ Es nennt sich Bank und scheint das Richtige zu sein“ rappt eine Frau im Kostüm. Dann wird dem Zuschauer versprochen, dass ihm das ‘Bankenwunderland’ gezeigt werde, das anscheinend aus leicht bekleideten Feen (0:57) und tanzenden Schwäbisch-Hall-Füchsen (2:38) besteht. Als blanken Hohn müssen die Mitarbeiter von Edeka Sätze wie: „Der Job ist abwechslungsreich und es ist kein Scherz/ Diesen Beruf lebt man wirklich mit viel Herz“ empfinden. Falls das nicht überzeugt, wird in guter neoliberaler Tradition noch schnell der American Dream besungen: „Benutz deinen Verstand/ Und nimm deine Zukunft selbst in die Hand“. Auch bei McDonalds tönt es: „Hey! Hier zählt nur dein Talent/ Es geht schneller als du denkst, dein Aufstieg in deiner Hand“.
Aber warum das alles? Die Reaktionen auf die Videos sind durchweg schlecht, Sparda löschte das Video schon am ersten Tag (was in Zeiten von YouTube natürlich vergebene Liebesmüh ist) und zu mehr als Fremdscham scheinen sie niemanden zu inspirieren. Im Fall des Recruitment-Videos der Polizei in NRW schaltete sich gar die FDP-Landtagsfraktion ein und forderte vom Innenminister, das „peinliche Video“ zurückzuziehen. Und trotzdem muss ja irgendwer in einer Marketing-Abteilung sitzen und denken, es sei eine gute Idee, solche Videos zu produzieren. Ich vermute, das sind Leute, die immer wieder eingehämmert bekommen haben, dass die sozialen Medien für den Aufbau einer Marke unerlässlich sind. Diese unausgegorene Fixierung mischt sich dann mit der vagen Idee, dass junge Leute große Firmen als langweilig empfinden und dass unbedingt ein bisschen mehr ‘Kreativität’ projiziert werden muss. In einem Video, bei dem Praktikanten für BMW angeworben sollen, fragt ein Student: „Was soll ich denn mit den arroganten Anzugträgern?“ Sein Freund beruhigt ihn mit den folgenden hübschen Reimen: „Träge und verstaubt, was für ein Mist/ Fakt ist, dass es eins der besten Unternehmen ist“ und behauptet: „Wir sind individuell und nicht Kommerz“. Der Marketing-Mensch hat sich also über die Generation Y informiert und weiß jetzt, dass ‘Individualität’ und ‘Authentizität’ Schlagworte sind, die er beim Schreiben eines coolen Raps unbedingt im Hinterkopf behalten muss. Das muss auch eine Rollte gespielt haben, als jemand sich diese Zeile aus dem Sparda-Spot ausgedacht hat: „Alternativ, abwechslungsreich und immer locker/ Sind wir schon bald die Chefetagenrocker“. Nach dem Genuss dieser fragwürdigen Kulturprodukte wünsche ich mir jetzt sehnlichst eine Zeit zurück, in der die Corporate Culture es noch in Ordnung fand, seriös und langweilig daher zu kommen. Ich sage das selten, aber: Bitte, liebe Schuster, bleibt doch bei euern Leisten!