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Von Quoten und Glasdecken

by Theresia Enzensberger

Es gibt kaum etwas Anstrengenderes, als mit einem Gegner der Frauenquote zu diskutieren. Obwohl sie ja nun im Koalitionsvertrag steht, wird diese Diskussion wohl noch einige Male auf uns zukommen, wenn es dann um konkrete Gesetzesentwürfe geht. Letztes Jahr veröffentlichten Kenneth Ahern und Amy Dittmar von der University of Michigan eine Studie über die Erfahrungen, die Norwegen mit der Quote gemacht hatte, seit sie 2003 dort eingeführt wurde. Damit ist die Diskussion noch frustrierender geworden. Allerorts konnte man lesen: „Eine neue Studie zeigt, dass die Frauenquote schlecht für die Wirtschaft ist“. Jeder vernünftige Mensch sollte stutzig werden, wenn in einer Zeitung von „einer kürzlich veröffentlichten Studie“ die Rede ist. Schließlich wird fast nie näher darauf eingegangen, was genau das für eine Studie ist oder, Gott bewahre, was tatsächlich in der Veröffentlichung steht. Trotzdem werden sie dann gerne von den eifrigen Lesern als Argument aus dritter Hand verwendet. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, habe ich mir die Mühe gemacht, mir die Studie ein wenig genauer anzusehen.

Die Grundaussage ist und bleibt zwar, dass der Unternehmenswert von Firmen, die von der Frauenquote betroffen sind (also aller börsennotierten Unternehmen), stark gesunken ist, aber die Frage bleibt, ob das ein Argument dafür ist, sie nicht einzuführen. Die Studie zeigt, dass der Unternehmenswert von Firmen, die erst 2003 angefangen haben, Frauen den Aufsichtsrat zu holen, viel stärker gesunken ist, als der von Firmen, die bereits eine oder mehrere Frauen eingestellt hatten. Das ist meiner Meinung nach kein Argument gegen die Einführung der Quote, sondern vielmehr eines für die Vorteile der freiwilligen Einhaltung eines Frauenanteils bevor die Quote gesetzlich verpflichtend wird. Interessanterweise erwähnen Ahern und Dittmar mehrere Male, wie schwierig es ist, die Einflüsse von firmeninterner Frauenfeindlichkeit auf ihre Ergebnisse auszuschließen. So heißt es zum Beispiel: „…The quota setting does not allow us to rule out all other explanations. For instance, the retained men directors may behave differently after the appointment of new women…“ und „…Managers could strategically time when they complied with the law. Managers may have chosen to add female directors as scapegoats in advance of poor performance. Existing male directors may have chosen to give up their position, ‘so a female director can be appointed,’ immediately before he thought the firm would underperform“, aber auch: „…We can not know whether the actions of the less experienced women directors led to value losses, or instead, whether the retained men changed their behavior when forced to work with women“

Der Grund für den sinkenden Unternehmenswert sehen Ahern und Dittmar in der Tatsache, dass die Frauen, die nach der Einführung der Quote in die Aufsichtsräte geholt wurden, im Durchschnitt jünger waren und weniger oft Erfahrung als Geschäftsführer hatten, obwohl sie im Durchschnitt auch besser gebildet waren, als die Männer, die die Aufsichtsräte verließen. Die Autoren bemühen sich, klar zu stellen, dass die Unterschiede keineswegs am Geschlecht selber liegen: „…The negative effect of gender becomes insignificant when age and experience are included, which could imply that the effect is not driven by gender changes.“ Wenn es hier also um Erfahrung geht, zeigt die Studie eigentlich nur, dass es wirtschaftlich ratsam wäre, mehr Frauen jetzt schon die Möglichkeit zu geben, Geschäftsführer zu werden. Dadurch gäbe es mehr potentielle weibliche Kandidaten für eine Aufnahme in die Aufsichtsräte, die die nötige Erfahrung mitbringen würden.

Es ist nicht so, dass mir der Erfolg von börsennotierten Unternehmen so wahnsinnig am Herzen liegt, aber wenn ich immer wieder lesen muss, dass sich „die Wirtschaft“ gegen die Frauenquote ausspricht, dann möchte ich den alten Herren gerne raten, sich diese Studie genau anzusehen. Die Frauenquote kommt sowieso. Die Firmen, die jetzt schon reagieren, werden weit weniger Verluste erleiden, als diejenigen, die sich mit Händen und Füßen dagegen wehren.

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